Am 1.Februar 2014 war es auf den Tag genau vier Jahre her, dass ich den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Davor war ich über 10 Jahre in Unternehmen wie Agenturen im Bereich Online tätig. Habe als Webdesigner, Webentwickler, Projektmanager und Projektleiter gearbeitet. In dieser Zeit sind unzählige Webseiten, Microsites, Banner, Newsletter und Gewinnspiele entstanden, an denen ich entweder operativ, konzeptionell oder steuernd beteiligt war. Seit 2005 beschäftige ich mich mit dem Thema Social Media und habe damals immer wieder versucht dies bei meinen damaligen Arbeitgebern auf die Agenda zu setzen. Einigermaßen erfolglos. Dass heute alle dabei sind muss nicht erwähnt werden. 🙂

Vor vier Jahren war der Schritt in die Selbstständigkeit nicht die einfachste Entscheidung. Immerhin befand sich Deutschland mitten in der Wirtschaftskrise und ich hatte darüber hinaus gerade einen Baukredit aufgenommen. Nicht unbedingt eine Optimal-Konstellation. Aber gibt es die überhaupt? Ich denke: Nein. Wer etwas will findet Wege. Wer etwas nicht will findet Gründe.

Der Vorteil an einer Unternehmensgründung im Digital-Bereich ist ja, dass man ziemlich low-budget starten kann. In der Regel ist alles was man benötigt bereits vorhanden. Schreibtisch, Rechner, Internet, Telefon. Ein Büro habe ich in besagtem Haus eh eingeplant. Eins war klar: Noch einen Kredit war das Letzte was ich brauchte. Zusätzlich wurde mir der Start durch den Existenzgründerzuschuss erleichtert. Leider wird dieser heute nur noch sehr selten vergeben. Ein weiterer Pluspunkt: Ich war bereits einige Zeit nebenberuflich selbstständig und habe schon immer sehr viel genetzwerkt. All das kam mir zu Gute.

Wenn ich heute zurückdenke und mir klar mache, wie viele tolle Menschen, Firmen, Events ich kennen lernte und Momente ich erlebt habe, bin ich schon allein aus diesem Grund froh diesen Schritt, gegen alle äußeren Widerstände, gegangen zu sein. Ich bin ein freier Vogel. Muss mich vor niemand rechtfertigen, niemand um Urlaub bitten, keine Stempeluhr schreibt mir meine Arbeitszeit vor.

In vier Jahren sammelt sich eine ganze Menge Erfahrung an. Vieles ist schön. Auf einiges hätte ich gern verzichtet, aber auch das ließ mich reifen. Aber ganz sicher steht heute, morgen oder übermorgen jemand vor dieser Entscheidung. Für diese Menschen habe ich 10 Tipps für den Start in die digitale Selbstständigkeit aufgeschrieben.

1. Informiere Dich/Lass Dich beraten
Bitte denk nicht, weil Du jetzt vielleicht einiges an Berufserfahrung gesammelt hast, bist Du bestens gerüstet. Es gibt eine ganze Menge Dinge worum Du Dich ab sofort kümmern musst. Angebote, Rechnungen, Akquise, Marketing,  Altersvorsorge, Versicherungen, Umsatzsteuervoranmeldung,… Wenn Du allein startest bist Du alles in einer Person: Vertriebler, Werber, Buchhalter, Kundenservice,… und daneben solltest Du noch arbeiten. 🙂 Also kauf Dir Bücher, besuche Existenzgründermesse, nimm Beratungsangebote an, überlege Dir Dein Leistungsportfolio, berechne Deine monatlichen Fixkosten, rechne Deinen Stundensatz (realistisch!) aus, usw. usw….
ABER: Plan Dich nicht tot. Wenn Du Dich fit fühlst: Starte! Unternehmertum ist ein ständiges Optimieren und Nachjustieren.

2. Starte low-budget
Wie ich schon oben geschrieben habe. Der Vorteil an einem Start in der Digital-Branche ist, dass man meist schon (fast) alles hat was man braucht. Alles was ich mir beim Start zusätzlich gekauft habe, war ein Fax und ein Aktenvernichter. 🙂 Wenn Du gleich als Agentur mit repräsentativem Büro starten willst, geht das natürlich nicht. Dann brauchst Du Räume, möglichst noch in Innenstadtlage. Aber bitte glaub nicht, mit einem 3000-Euro-Macbook, drei Bildschirmen und Chrome-Schreibtisch kommen Aufträge automatisch. Ich denke da sehr schwäbisch: Erst mal mit dem starten was man hat, und Geld dann ausgeben wenn es verdient ist.

3. Such Dir einen Steuerberater
Ich weiß, dass es eine ganze Menge Programme gibt, die versprechen den Steuerberater mehr oder weniger überflüssig zu machen. Aber gerade in der Startphase wirst Du eine ganze Menge Fragen haben. Du wirst seitenweise Zeug vom Finanzamt in der Post haben, das Du nicht verstehst. Deine Krankenkasse wird Deinen Steuerbescheid haben wollen, usw usw. Kurzum: Du wirst viele Fragen haben und froh sein, wenn Dir diese jemand beantwortet.

4. Wer schreibt der bleibt
Fixiere wichtige Absprachen und vor allem Auftragszusagen schriftlich. Das muss kein seitenlanger Vertrag sein. Ich formuliere bei meinem Angeboten aber immer klar, welche Leistungen inbegriffen sind und welche Leistungen zusätzlich nach Aufwand berechnet werden. Das kostet Zeit, klar. Daher sitze ich an meinen Angeboten auch oft recht lange. So vermeidest Du aber, während des Projektes Missverständnisse und schlechte Stimmung.

5. Netzwerke in echten Leben
Im Prinzip gilt das für alle Unternehmer. Geh raus, lerne Leute kennen. Es gibt so viele Möglichkeiten: Barcamps, Messen, Kongresse, Bloggertreffen, Stammtische, Webmontage, Social Media Nights. Klar kostet das immer Geld. Aber hey: Erstens macht es Spaß und zweitens ist es sicherlich effektiver als eine Werbebroschüre. 😉

6. Netzwerke digital
Jeden Tag auf ein Event wird aber dann doch etwas teuer. Außerdem ist ja dann gar nix mehr geschafft. Aber für diesen Fall gibt es ja die sozialen Netzwerke. Vernetze Dich mit den Menschen die Du persönlich getroffen hast auch digital. Bitte sieh aber von Freundschaftsanfragen/Kontaktanfragen ohne Nachricht oder Begründung ab. Nutz in diesem Fall lieber die Abonnieren-Funktion. Neben dem persönlichen Kontakt wirst Du dadurch ständig dazulernen und Dein Wissen aktuell halten. Gerade der Bereich Digital ist einer großen Dynamik unterworfen. Fast monatlich erblicken neue Plattformen das Licht der Welt oder etablieren bestehende Plattformen neue Features. Um jederzeit auf dem aktuellen Stand zu bleiben hilft Dir eine digitale Vernetzung massiv weiter.

7. Lege Dir ein finanzielles Polster an
Dass am Ende eines Monats möglichst mehr reingekommen sein sollte als rausgegangen ist, ist auch ohne BWL-Studium den meisten klar. Aber das wird nicht jeden Monat der Fall sein! Wenn Du z.B. 3 Monate lang sauber die Umsatzsteuer eingestrichen hast, dann wirst Du diese als großen Brocken wieder zurückzahlen müssen. Außerdem kann die Krankenkasse – je nach Geschäftsentwicklung – Nachzahlungen fordern. Und dann hätten wir da noch das leidige Thema Zahlungsmoral. Stell Dich darauf ein, dass Du regelmäßig bei irgendeinem Kunden Deinem Geld nachrennen musst. In dieser Zeit kommt weniger rein, aber die fixen Ausgaben bleiben dieselben. Wohl dem der frühzeitig Rücklagen gebildet hat.

8. Home-Office oder Büroräume?
Zu diesem Thema gibt es (völlig zu Recht!) ganze Abhandlungen und sogar Bücher. Hier einen Rat zu geben ist unmöglich, weil es ganz entscheidend von der jeweiligen Lebenssituation und Unternehmensausrichtung abhängt. Für mich war damals klar: Ich starte im Home-Office. Erstens weil ich so low-budget wie möglich starten wollte und zweitens weil ich im neu gebauten Haus ein schönes Büro mit traumhafter Aussicht aufs Land habe. Im Moment arbeite ich mit freien Mitarbeitern, was ein Büro – zumindest in dieser Hinsicht – unnötig macht.

9. Behalte den Überblick!
Gerade wir Kreativen neigen ja gern zum Chaos. Gegen etwas positives Chaos ist auch nichts einzuwenden. Aber Chaos wegen fehlendem Überblick über Deine Finanzen hat mit positiven Chaos nichts zu tun. Ich denke, es gehört zur unternehmerischen Verantwortung Überblick über Projekte, offene Rechnungen und Angebote, Leads und Zahlungseingänge zu haben. Ich habe in meinem Büro ein Whiteboard an der Wand wo ich mir das alles aufschreibe. Ziemlich analog für einen Digital-Arbeiter, ich weiß. Aber so habe ich das jederzeit im Blick. Außerdem nutze ich ein Rechnungsprogramm, wo ich alle Einnahmen und Ausgaben erfasse. Das sollte für einen Überblick reichen.

10. Liefere gute Arbeit ab!
Den wichtigsten und banalsten Tipp am Schluss. Es ist so einfach und doch wird er nicht immer beherzigt: Wer gute Arbeit abliefert wird weiter empfohlen. Und eine Empfehlung ist die beste Werbung die ihr haben könnt. Ich habe in den letzten vier Jahren über 65% meine Aufträge über Empfehlungen erhalten. Der überwiegende Rest beruht auf XING (ist leider viel weniger geworden) und Eigenakquise.

Ich bin froh und dankbar rückblickend sagen zu können: Es war die richtige Entscheidung. Diese Erkenntnis wünsche ich jedem der es ernsthaft versucht.